Was Topmarken ausmacht - oder: Nur ein schnelleres Pferd ist zu wenig?

Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde“ war einer der vielen, legendären Aussagen von Henry Ford. Er schuf mehr als schnelle Pferde, er baute das moderne Auto. Und er schuf eine große Marke. Ebenso wie Werner von Siemens oder Steve Jobs. Sie alle waren von einer großen Idee beseelt, von einer Vision.

Aber macht das alleine schon eine Topmarke aus?

In einer der letzten Ausgaben des „Harvard Business Manager“ konnte man über Methoden lesen, wie Unternehmen mit „neuem Marketing“ ihre Kunden von morgen gewinnen. Gefragt wurden CEOs, CMOs und weltweit tausende Marketing-Manager. Abgesehen davon, dass viele Unternehmen die Kunden schon heute und nicht erst morgen gewinnen müssen, war der Erkenntnisgewinn gering. Es gab nichts, das es nicht auch schon vor 20 Jahren gegeben hätte. Was blieb, war die sattsam bekannte Feststellung, dass eine Marke dann erfolgreicher ist, wenn es neben dem eigentlichen Produktnutzen auch noch einen Mehrwert, sei er emotionaler oder gesellschaftlicher Art, gibt. 

Dass echte Marken einen Mehrwert liefern, ist bekannt. Beim Waschmittel Persil etwa ist das nicht nur die Fähigkeit des Produktes, schmutzige Wäsche zu einem guten Preis-/Leistungsverhältnis zu säubern, sondern auch das Markenversprechen, nichts Besseres für seine Familie tun zu können.

Das iPhone etwa ist nicht nur ein einfach zu bedienendes, soziales Unterhaltungsgerät, sondern auch ein Statussymbol. Das Design und die haptische Anmutung, verbunden mit der Fähigkeit Kommunikations-Distanzen zu überwinden, liefert einen Mehrwert, den nur das Auto viele Jahrzehnte lang bot.

Ob Unternehmens- oder Produktmarke, starke Marken zeichnet seit jeher neben dem eigentlichen Nutzen auch etwas ganz Bestimmtes aus: Sie tragen eine Vision in sich, also das, was Steve Jobs als „Why?“ bezeichnet hatte. Diese Vision, dieses „Warum?“ entspricht vielleicht am ehesten der von Antoine de Saint-Exupéry beschriebenen „Sehnsucht nach dem Meer“, die Dinge oder Menschen über sich selbst hinauswachsen lässt. Viele CEOs und CMOs fragen sich jedoch zu selten, warum es ihre Marke überhaupt gibt und warum es sie eigentlich (noch) gibt. 

Genau das sollte aber die Aufgabe jeder guten Markenführung sein. Wir wissen aus der Praxis, dass selbst die Artikulation einer Vision, der nachgelagert natürlich harte Ziele und Strategien folgen müssen, bei Spitzenmanagern auf fast unüberwindbare Hürden stößt. Zu viele Entscheider sehen sich nur vor der gigantischen Herausforderung, aus Bergen von Daten die „Golden Nuggets“ zu buddeln oder aus einer exponentiell steigenden Anzahl von Kommunikations- und Vertriebskanälen die richtigen zu wählen.

Viele sitzen am Ende des Tages vor einer Abteilung, die mehr Zeit mit der Rechtfertigung ihrer Existenz verbringt, als mit guter Markenführung. So werden heute in Deutschland viele Milliarden Euro verpulvert.

Dabei steht außer Frage, dass Marketing, Vertrieb und PR in erfolgreichen Unternehmen nicht mehr getrennt, sondern vollständig integriert agieren müssen. Das heißt: Best-Team-Ansatz und nicht mehr einzelne Abteilungen. Und Purpose, Corporate Charakter und Brand Charakter sind Themen, denen sich starke Marken und alle, die es sein möchten, auch nicht mehr entziehen können.

Topmarken stellen eine Brand Story und einen Purpose ins Zentrum ihrer Überlegungen, also einen narrativen Ansatz. Und Topmarken wissen, dass Marken, die das nicht tun, langsam, aber gnadenlos zwischen Eigen- und Billigmarken zerrieben werden. 

Geschichten sind deshalb so wichtig, da Marken nur im Kopf und sonst nirgendwo entstehen. Produkte wiederum entstehen in der Fabrik. Marken aber sind im Sinne des Evolutionsbiologen Richard Dawkins sogenannte „Meme“, also geistige Gene. Dabei ist die digitale Revolution, die gerade erst begonnen hat, der denkbar fruchtbarste Nährboden für Meme, deren Eigenschaft es ist, sich zu teilen und wieder zu teilen, von Menschen zu Mensch getragen zu werden, sich an ihre Umwelt durch Mutationen anzupassen, um sich so zu nachhaltig starken Marken zu entwickeln.

Der Erfolg starker Marken basiert darauf, dass sie eine Geschichte erzählen. Wie sie das tun, ist die eigentliche Kunst - und da beginnt die echte Kommunikation.

Ihr Ernst Primosch

Über den Autor:
© 2020 Mag. Ernst Primosch, ist CEO des Bureau of Communication, einer Kommunikations- und Markenschmiede in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er begann seine Karriere in der Markenartikelindustrie, war in führenden globalen Managementfunktionen bei einem Fortune Global 500 tätig, führte zwei der renommiertesten Beratungsunternehmen und positionierte Marken wie Henkel. Er lehrt an Universitäten und Hochschulen. Zuletzt publizierte er das Buch „Psychologie der Marke“.

 

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