Mensch oder Maschine – wer kontrolliert künftig die Finanzen?
Neue Aufgaben für den CFO – durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) werden neue Maßstäbe im Unternehmensfinanzbereich gesetzt
„Die Zukunft ist bereits hier- sie ist nur noch nicht gleichmäßig verteilt.“ (William Gibson)
Die technologischen Entwicklungen, der Einsatz von Quantencomputern, Maschine Learning und KI werden in Unternehmen auch den Finanzbereich revolutionieren. Das Aufgabenspektrum des CFOs verändert sich radikal und damit auch die Anforderungen an ihn und sein Team. Große Investoren und Fondsgesellschaften setzen KI schon längst zur Bewertung und Aufstellung von zuverlässigen Prognosen ein. Die Einsatzmöglichkeiten sind enorm. Doch wie gut sind die Finanzabteilungen auf diese Gamechanger vorbereitet?
Während die Chancen der Digitalisierung - und wir reden noch nicht von KI - bisher vornehmlich in der weiteren Vernetzung der Dinge, dem sogenannten „Internet der Dinge“, gesehen werden, richten sich die Blicke der Unternehmens- und Kommunikationsberater zunehmend auf die Chancen der Digitalisierung in der Administration der Unternehmen. Dies gilt im Besonderen für den Finanzbereich für den ein hohes Digitalisierungspotenzial besteht. Folglich werden die Auswirkungen der Digitalisierung im Finanzbereich und damit beim CFO im Unternehmen am größten sein.
Der Verantwortungsbereich des CFOs wird sich mit der fortschreitenden Digitalisierung verändern. Neue Aufgaben und neue Herausforderungen wie Einkaufs-, Vertriebs- und IT-Themen werden zu übernehmen und zu überdenken sein. Das hat auch Auswirkungen auf die IT-Organisation, die den wachsenden Einfluss des CFOs zu spüren bekommt und sich ebenso anpassen und verändern muss.
So können und wird beispielsweise das Rechnungswesen, das Controlling und das Treasury im hohen Maße digitalisiert. Neue Aufgaben entstehen und alte Aufgaben entfallen. Das hat auch einen Einfluss auf die Qualifikationsanforderungen an heutige und zukünftige Mitarbeiter.
Bisher ist von diesen Entwicklungen in den meisten Finanzabteilungen wenig zu bemerken. Festhalten kann man: Digitalisierung führt zu mehr Dezentralität, sowohl in der Organisation als auch in der Entscheidungsfindung – und der Kommunikation. Die digitalisierte Finanzabteilung wird sich zunehmend spezialisieren, etwa indem künftig Business Partner mit eigener IT-Kompetenz agieren.
Welche Erfolgsfaktoren haben wir definiert, um diese Technologieentwicklung zu meistern?
1. Das Ziel und den Weg dahin klar definieren
Dahinter verbirgt sich in erster Linie genau zu definieren, welchen Umfang die Digitalisierung des Finanzbereichs im Unternehmen annehmen soll und kann. Wird es am Ende zu einer Dominanz der Algorithmen führen, oder werden Mensch und Maschine komplementär zusammenarbeiten? Werden die Mitarbeiter des Finanzbereichs vollständig von repetitiven formalen Prozessen befreit und können sich analytischen und prognostischen Aufgaben zuwenden?
Offenbar ist die Erarbeitung der Digitalisierungsstrategie und damit die Zielsetzung für die Mitarbeiter oftmals nicht transparent. Hier sollte die Führungsebene einen deutlich stärkeren Fokus auf die Kommunikation mit den Mitarbeitern legen, damit diese frühzeitig einbezogen werden.
Jedes Unternehmen wird seinen individuellen Grad der Digitalisierung des Finanzbereichs und eine dazugehörige Storyline für die damit verbundenen Veränderungen definieren müssen. Den Mitarbeitern sollte der Weg, das Ziel, die Dauer und die Zwischenstationen der anstehenden Digitalisierung(sreise) klar kommuniziert werden können.
2. Individualität statt Lösungen „von der Stange“
Dies betrifft vor allem die einzusetzenden IT-Lösungen. Unter Berücksichtigung der technischen IT-Legacy des Unternehmens ist zu definieren, welche IT-Ergänzungen im jeweiligen Unternehmen den gewünschten Erfolg leisten können. Am Ende mag das Bild eines „Datensees“, der aus vielen unterschiedlich großen Datenströmen dezentralen Ursprungs gespeist wird und aus dem insbesondere der Finanzbereich die notwendigen Daten zu schöpfen weiß, als Metapher hilfreich sein. Es geht aber weit über das Abschöpfen hinaus, nämlich wie sinnvoll die Informationen ausgewertet und genutzt werden können.
3. Wandel zum Business Partner frühzeitig einleiten
Mit der Digitalisierung des Finanzbereichs werden sich auch die Aufgaben der Mitarbeiter des künftigen Finanzbereichs verändern. Viele Prozesse und Aufgaben werden von Algorithmen übernommen. Die Mitarbeiter können sich dann analytischen, bewertenden und beratenden Aufgaben widmen. Mitarbeiter des Finanzbereichs agieren künftig als Business Partner mit eigener IT-Kompetenz. Als Business Partner können sie die Manager des Unternehmens beispielsweise bei Investitionsfragen und Risikoeinschätzungen im Einkauf, Vertrieb und der IT unterstützen. Der Schwerpunkt verlagert sich von der ex post-Datenanalyse zur ex ante-Prognose der Unternehmensentwicklung. Neue Aufgaben verlangen neue bzw. erweiterte Mitarbeiterprofile und Kompetenzen. Neben den wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen braucht es IT-Kenntnisse, die über eine reine IT-Affinität hinausgehen müssen. Gemeinsam mit HR müssen Unternehmen frühzeitig dafür sorgen, die geeigneten Mitarbeiter zu finden, die bisherigen Mitarbeiter entsprechend zu schulen und zu entscheiden, was mit den Mitarbeitern geschieht, welche die anstehenden Veränderungen nicht mittragen können oder wollen.
4. Kooperieren statt konkurrieren
Künftig wird eine noch größere Kooperationsbereitschaft zwischen dem IT- und Finanzbereich nötig sein, um gemeinsam so effizient und effektiv wie möglich die Chancen der Digitalisierung für das Unternehmen zu nutzen. Und dies bei den absehbaren Überschneidungen der Aufgaben und den notwendigen Investitionsallokationen. Zudem ergibt sich durch die Hinzunahme IT-naher Aufgaben im Finanzbereich zunehmend ein Spannungsfeld zwischen CFO und CIO, da ein Teil der Aufgaben vom CIO zum CFO wandert und dadurch der Einfluss bzw. die Relevanz des CIO verringert wird. Es ist durchaus vorstellbar, dass am Ende nicht mehr zwei Ressorts, sondern nur ein Ressort mit neuen Aufgaben in Unternehmen die Aufgaben der IT und Finanzen bündelt.
5. Standardisierung und Automatisierung erhöhen
Bisher ist beispielsweise der Automatisierungsgrad bei Investor Relations, Risikomanagement, Finanzplanung und -steuerung sowie Investitionsmanagement sehr gering. Hingegen werden Rechnungswesen, Controlling und Treasury hoch automatisiert. Es wird genauer geprüft werden müssen, welche Bereiche zukünftig von KI gesteuert werden. Die Qualifikationsanforderungen und die Anzahl an benötigten Mitarbeitern werden sich radikal verändern. Mit der Standardisierung und Automatisierung werden nur noch wenige menschliche Arbeitskräfte eingesetzt werden müssen. Ein Kostenfaktor, aber vor allem eine Führungsaufgabe, das umzusetzen und zu kommunizieren.
6. Kontinuierliche Auseinandersetzung mit den neuesten Technologien und Evaluation von einzusetzender KI
Digitalisierung ausschließlich auf die Automatisierung und Standardisierung von Finanzprozessen zu reduzieren greift zu kurz. Noch ist für viele der wertstiftende Einsatz von Technologien wie Big Data Analytics oder KI im Finanzbereich wenig greifbar, diese Entwicklung ist aber nicht aufzuhalten. Eine entsprechende innovationsfördernde Unternehmenskultur wird Voraussetzung für den digitalen Erfolg des Finanzbereichs sein.
7. Mitarbeiter auf die digitale Reise vorbereiten und begleiten
Die Digitalisierung des Finanzbereichs bedingt eine hohe Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter an die neuen fachlichen und sozialen Anforderungen. Dabei müssen CFO und Mitarbeiter des Finanzbereichs zukünftig verstärkt Schnittstellen- und IT-Kompetenzen vorweisen. Eine essenzielle Führungsaufgabe wird es sein, möglichst viele Mitarbeiter auf die digitale Reise vorzubereiten und Antworten auf die Frage zu finden, was mit denen passiert, die diesen Weg nicht mitgehen können oder wollen. Die Bereitschaft zur Weiterentwicklung, Neugierde und Lernfähigkeit wie auch Eigenverantwortung werden neue Maßstäbe bei der Beurteilung und dem Einsatz von Mitarbeitern sein, dies gilt ebenso für die Führungskräfte. Sie werden allerdings zusätzlich als Coach tätig werden müssen, um die Mitarbeiter in der neuen digitalen Arbeitswelt begleiten zu können. Sie sollten auf Ziele fokussieren, die genauer und besser skalierbar sowie messbar sind, und bei der Umsetzung mehr Gestaltungsfreiraum lassen.
8. Neue Aufgaben des CFO – Perspektivwechsel ermöglichen
Der CFO muss den kulturellen Wandel hin zur digitalen Finanzeinheit steuern und die Mitarbeiter auf die „digitale Reise“ mitnehmen. Analog zu den erwarteten Änderungen beim Anforderungsprofil der Mitarbeiter werden Fachwissen in Finanz- und Rechnungswesen sowie Erfahrung und aufgebautes Know-how zukünftig als weniger wichtig erachtet. Analytische Fähigkeiten sowie Projekt- und Kollaborationsmanagement-Skills werden dafür wichtiger werden. Der CFO wird zum strategischen Lenker und muss einen Perspektivwechsel vornehmen: von der Vergangenheitsorientierung hin zur Zukunftsorientierung.
Um die Neuausrichtung des Aufgabenportfolios möglichst ohne Reibungsverluste zu bewerkstelligen, muss der Finanzbereich jetzt damit beginnen, sowohl den kulturellen Wandel aktiv einzuleiten als auch die notwendigen Kompetenzen aufzubauen.
Eine weitere und nicht zu unterschätzende Aufgabe des CFOs ist es, den Mitarbeitern Unsicherheiten und Ängste vor der Digitalisierung zu nehmen. Diese Neuausrichtung ist für alle Neuland und lässt sich nicht aus vergangenen Erfahrungen meistern. Wie sich der Finanzbereich genau verändern wird, liegt in der Verantwortung des CFOs. Hier ist Weitsicht und Zukunftskompetenz gefragt. Aus kommunikativer Sicht ist es notwendig, die Ziele klar zu formulieren und bei den Mitarbeitern Vertrauen herzustellen und aufzuzeigen wie der Weg gestaltet werden soll. Das braucht andere Kompetenzen und Fähigkeiten als in der Vergangenheit.
Kommunikative Aufgaben im kulturellen Anpassungsprozess der Digitalisierung des Finanzbereichs – ein Large-Scale-Change
Aus den genannten Erfolgsfaktoren ergeben sich verschiedene kommunikative Anforderungen an die Verantwortlichen im Finanzbereich. Es geht scheinbar nur um wenige Personen im Unternehmen. Doch ist der durch die Digitalisierung angestoßene Veränderungsprozess im Finanzbereich eines Unternehmens der Lackmustest hinsichtlich der Definition und Integration einer digital-affinen Kultur – und dies auf Vorstandsebene. Alles, was dort vorgelebt wird, ob gut oder schlecht, strahlt auf das ganze Unternehmen aus und hat das Zeug zum Benchmark. Es handelt sich für das gesamte Unternehmen um einen Large-Scale-Change.
Wie sieht nun die Digitalisierungsstory aus? Welche Veränderung ist notwendig? Dafür sollten zunächst grundlegende Fragen beantwortet werden:
- Welche Chancen und Risiken entstehen durch die Digitalisierung im Finanzbereich?
- Wie sehen die Organisation und die Prozesse des Finanzbereichs in naher Zukunft aus?
- In welchem Umfang werden neue Technologien in Aufgaben und Prozessen eingesetzt?
- Wie verändert sich künftig die Rolle des CFO und seiner Mitarbeiter?
- Welche Fähigkeiten und welche Mitarbeiter benötigt der Finanzbereich der Zukunft?
- Wie werden wir den kulturellen Wandel begleiten (HR und Kommunikation)?
- Welche unserer Werte unterstützen uns dabei?
Digitalisierung bedingt Kulturveränderung. Kulturveränderung braucht ein eindeutiges, klares und zukunftsweisendes Leadership. Ein Leadership, das auf die Möglichkeiten schaut und neue Perspektiven einnehmen kann. Der Erfolg der Digitalisierung steht und fällt mit der Bereitschaft der Manager und Mitarbeiter zu einer konsequenten Implementierung – bis in die Fingerspitzen der Organisation – und zurück in die Vorstandsetage. Notwendige Veränderungen müssen heute angestoßen werden, um rechtzeitig die richtige Kultur für die erfolgreiche Digitalisierung zu ermöglichen.
All das sind nur einige der Veränderungen, die wir als Unternehmensberatung auf unsere Kunden und uns zukommen sehen. Veränderung, die auch viel Positives mit sich bringen werden, wenn die Chancen heute genutzt werden.
Christiane Kroll und Pascal Frank
Über die Autoren:
Christiane Kroll ist Partnerin des Bureau of Communication, einer Unternehmensberatung sowie Kommunikations- und Markenschmiede in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist Spezialistin für Transformationsprozesse, strategische Kommunikation, Employee Engagement sowie Leadership Communications und ist als Executive Coach tätig. Vor dem BoC hat sie unter anderem für führende deutsche und internationale Kommunikationsberatungen wie Edelman, Hill+Knowlton, Deekeling Arnd Advisors und fischerAppelt gearbeitet.
Pascal Frank ist Partner des Bureau of Communications und Spezialist für nachhaltige Kapitalmarktkommunikation, Governing Purpose, Multistakeholder Auditing und Multistakeholder Management. Bevor Pascal Frank als Partner zu BoC stieß war er Geschäftsführer bei A&B Communications, Hill & Knowlton Strategies und Deekeling Arndt Advisors, drei der führenden deutschen Kommunikationsberatungsunternehmen.