Was hat ein Schuster mit der Dachmarke am Hut?

Ein Wildschwein ist keine eierlegende Wollmilchsau

Ein Wildschwein ist keine eierlegende Wollmilchsau

Der Wettbewerb wird für viele Unternehmen immer härter und in Zeiten von Purpose, Rechtfertigungsdruck und fehlenden Talenten am Arbeitsmarkt werden auch die Effizienz- und Synergiepotentiale, die man heben könnte, immer kleiner. Dabei übersehen viele Unternehmen oft eines der größten Wertschöpfungspotentiale: Die Unternehmensmarke, auch Dachmarke oder Corporate Brand genannt.

Noch immer konzentrieren sich (zu) viele Unternehmen vielfach nur auf Produktmarken und verkennen so das Potenzial, das in der Unternehmensmarke steckt. Dabei kann der Beitrag der Unternehmensmarke für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens relevant sein. Darum lautet die richtige Antwort: Nicht trotz der wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, sondern gerade ihretwegen sollten Unternehmen nach Bereichen suchen, die einen Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Dabei ist eine vernachlässigte Unternehmensmarke ein Rohdiamant, den es in vielen Unternehmen noch zu schleifen gilt.

Am Beispiel Henkel, dessen Dachmarkenstrategie von so gut wie allen Wettbewerbern übernommen wurde, zeigte sich, wie erfolgreich so eine Strategie sein kann. Henkel als einer der bekanntesten deutschen Markenartikler hat nämlich Pionierarbeit geleistet – und das, obwohl das Produktportfolio ganz große Markenlegenden im Produktportfolio hat. Trotzdem stellte man zur Jahrtausendwende erstmals auch die Unternehmensmarke in den Fokus, ohne jedoch damit Produktmarken wie Persil, Schwarzkopf oder Loctite zu vernachlässigen. Während viele international agierende Unternehmen immer noch nur auf Produktmarken setzten und sich stolz „House of Brands“ nannten, erachtete Henkel die Zeit als reif, sich der Unternehmensmarke zu widmen. Man hatte erkannt, dass das Bild vom besten Schuster, der selbst die sprichwörtlich schlechtesten Schuhe trägt, passend war.

Die eierlegende Wollmilchsau

Die nicht ganz einfache Frage, die sich Henkel am Anfang zu beantworten hatte: Wie genau können Kernkompetenzen, Produktmarken und die gesamte Darstellung des Unternehmens so zusammengeführt werden, dass ein Höchstmaß an Erfolg und im Idealfall eine positive Wechselwirkung zwischen allen dreien entsteht?

Dahinter steckte vor allem eine zentrale Überlegung: Nur mit einer nach allen Regeln der Kunst geführten Unternehmensmarke werden Kunden, Aktionäre, Analysten, Medien sowie eigene und künftige Mitarbeiter dem Unternehmen zutrauen, auch seiner eigentlichen Kernkompetenz gerecht zu werden und die einzelnen Produktmarken optimal zu führen. Und nur dann kann ein Markenartikler letztlich ein Höchstmaß an Ehrlichkeit, Offenheit und Vertrauen herstellen.

So machten sich im Laufe dieses Erkenntnisprozesses bei Henkel rund 500 Expertinnen und Experten weltweit aus unterschiedlichsten Disziplinen Gedanken zu dieser Herausforderung. Gesteuert wurde der Prozess vom Bereich Corporate Brand Management, Corporate Communications und CSR unter der Leitung von Ernst Primosch.

Der Bedeutung dieser Aufgabe entsprechend aktivierte Henkel das gesamte Know-how, das man über die Jahrzehnte in der Führung von mehreren Hundert erfolgreichen und etablierten Produktmarken erworben hatte. Das Ergebnis wurde in seinem Umfang und der konsequenten Umsetzung weltweit zum Vorbild.

Markenwert als Strategie

Einen allgemeingültigen Pfad, dem man folgen hätte können, gab es nicht, zumindest nicht in der Branche, da alle relevanten Wettberber noch klassisch, spricht sehr produktfokussiert handelten. So konzentrierte man sich zu allererst auf den Purpose und den Kern, das Mark des Unternehmens. Und der Kern bestand definitiv aus Marken, Produkten und Technologien, die in aller Welt für Qualität und Innovation stehen und Vertrauen genießen, und der damit einhergehenden Kunst der Markenführung.

So stärkte das Unternehmen aktiv den Namen Henkel als Dachmarke, um die Unternehmensvision lebendig zu machen und intern wie extern zu kommunizieren. Henkel hatte – in Analogie zu einem Freund –  zum Ziel, mit Marken und Technologien das Leben der Menschen leichter, besser und schöner zu machen. Dieser Gedanke, dieser Purpose geht schon auf Fritz Henkel zurück, der 1907 mit Persil das Waschen und damit vor allem das Leben vieler Frauen wesentlich vereinfacht hat. Dieses Grundmotiv, das Leben der Menschen leichter, besser und schöner zu machen, wies auch in die Zukunft aller Produkte, Technologien und Dienstleistungen von Henkel: von den Waschmitteln, Klebstoffen und Kosmetika bis hin zu Produkten und Systemlösungen für international tätige Industriekunden.

Gebündelt wurde das Wissen um die fundamentale Bedeutung der Marke und das untrennbar mit ihr verbundene Vertrauens- und Qualitätsversprechen in dem Claim ,,A Brand like a Friend". Dieser Slogan unterstrich die Haltung des Unternehmens, die ganz im Sinne des Firmengründers auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen im Umgang mit seinen Mitarbeitern, Kunden und Aktionären ausgerichtet wurde.

Mit dem Claim verknüpft wurden zehn zentrale Unternehmenswerte, die den gesellschaftlichen Wertbeitrag, aber auch Qualität, Innovation und Kundenorientierung, die hohe Bedeutung qualifizierter Mitarbeiter oder auch soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit hervorhoben. Und es wurde eine wichtige Aufgabe der mehr als 50.000 weltweit tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, diese Werte auch tatsächlich mit Leben zu erfüllen und vor allem selbst zu leben.

So wurde die Markenführung von gestern die Markenführung von morgen. So, wie Persil eben Persil bleibt.

Dachmarke boostet Produktmarken

Schnell wurden alle Unternehmensbereiche weltweit von der Dynamik der gestärkten Dachmarke und den von ihr transportierten Werten erfasst, was schließlich zum zweiten, wesentlichen Baustein der Neuausrichtung geführt hat: Auch starke Produktmarken helfen, ein Unternehmen als Marke bekannter zu machen. Vice versa boostet eine starke Unternehmensmarke als Endorser auch weniger bekannte Produkte, da so neben dem eigentlichen Markenversprechen des Produktes noch ein ganzes Bündel an Metawerten wie etwa Verantwortung, Nachhaltigkeit oder Qualität mitkommuniziert wird. Ausnahmslos alle Ergebnisse aus dem Produktmarketing belegten die Tatsache, dass insbesondere bei der Einführung neuer Produkte eine starke Unternehmensmarke als Endorser ganz wesentlich zum Erfolg von Markteinführungen beiträgt.

Parallel zur Einführung des neuen Auftritts der Unternehmensmarke und abgeleitet aus dem Corporate Claim wurde deshalb eine Marketingkampagne gestartet, bei der die Unternehmensmarke mit dem Slogan „Qualität von Henkel" zum elementaren Bestandteil vieler Werbespots für Persil, Pattex & Co. wurde. Das Ergebnis war ein positiver Einfluss auf die Kaufentscheidung. Ein wichtiger Mehrwert für Markenprodukte, die im täglichen Wettbewerb mit Eigen- oder Billigmarken stehen.

Wie gut die Wechselwirkung von Unternehmensmarke und Produkt funktionieren kann, belegten auch die Zahlen. Henkel gewann weltweit signifikant an Bekanntheit, Reputation und Markenwert. Nach begleitenden Studien hatte sich der Wert der Marke Henkel innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Die Dachmarkenstrategie hat dazu einen essenziellen Beitrag geleistet.

Eine starke Dachmarke ist ein Leuchtturm, der dem Verbraucher in einer immer komplexer werdenden Welt und in einer nicht mehr überschaubaren Fülle von Warenangeboten Vertrauen gibt. Sie reduziert Komplexität und ist von unschätzbarem Wert, sichert sie doch Kundenzufriedenheit und damit Märkte und Wachstumschancen.

Entscheidend jedoch war und ist, dass eine Unternehmensmarke nicht allein Visitenkarte ist, sondern die erste Marke im Haus, bei der das Unternehmen seine gesamten Fähigkeiten unter Beweis zu stellen hat. Die Unternehmensmarke sollte letztlich das Fundament für ein gesamtes Markengebäude sein und ein Unternehmen, in dem Unternehmens- und Produktmarke nicht ident sind, zu einem „Branded House of Brands“ werden lassen. Diesen Schuh sollte sich ein Markenmanager gerne anziehen.

Ihr Ernst Primosch

 

Über den Autor: 

© 2020 Mag. Ernst Primosch, ist CEO des Bureau of Communication, einer Kommunikations- und Markenschmiede in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er begann seine Karriere in der Markenartikelindustrie, war in führenden globalen Managementfunktionen bei einem Fortune Global 500 tätig, führte zwei der renommiertesten Beratungsunternehmen und positionierte Marken wie Henkel. Er lehrt an Universitäten und Hochschulen. Zuletzt publizierte er das Buch „Psychologie der Marke“.

Zurück
Zurück

BoC gewinnt Markenprojekt der "Boomtown" Villach

Weiter
Weiter

Starke Marken sind Meme und keine Memmen!