Starke Marken sind Meme und keine Memmen!

Auch wenn sich heutzutage fast alles um das Thema Marketing dreht, ist es immer wieder mal an der Zeit, sich jenem Phänomen zu widmen, um das sich Marketing eigentlich dreht beziehungsweise drehen sollte: die Marke.

In diesem Sinne ist dies ein Plädoyer für mehr Marke, noch mehr Marke und richtig Marke. Ein Plädoyer dafür, dass wir uns öfter – auch kritisch - der oder den Marken zuwenden, die wir vermarkten und uns zugleich intensiver mit Marke auseinandersetzen. Vor allem aber, dass wir das tun, bevor wir über jeder Form einer Vermarktung nachdenken.

Jetzt könnte der eine oder andere kritischer Geist einwenden, mein Gott, noch mehr Marke, es gibt ja fast nur noch Marken. Doch diejenigen, die von einer Zunahme von Marken sprechen, die irren.

Was ist Marke überhaupt?

Es ist wohl richtig, dass es immer mehr Produkte und Leistungen gibt, die einen Namen tragen und eine bestimmte Form oder Farbe haben, aber entgegen dem Glauben vieler ihrer Schöpfer, sind das zwar markierte, gekennzeichnete, also „branded“ Produkte, aber bei weitem noch keine Marken.
Fragt man Studenten, warum Apple, Coca Cola oder Porsche eigentlich Marken sind und was sie zu Marken macht, dann sind ihre Antworten sehr vielfältig und oft auf die rein wissenschaftliche Definition oder die Merk-Male eines Markenartikels reduziert.

Marke aber ist nichts Greifbares. Es ist nicht das Handy, nicht das Auto und auch (noch) nicht die bauchige Flasche.  Marke ist das und nur das, was sich in unserem Kopf abspielt. Das heißt: Marke entsteht ausschließlich in unserem Kopf. Darum ist die Antwort mancher Studenten etwa auf die Frage, warum das iPhone eine Marke ist „Weil es geil ist!“ schon sehr nahe am wahren Kern der Marke.

Es irrt allso jeder, der glaubt mit einem Namen auf einem Produkt schon eine Marke geschaffen zu haben. Das kann schnell an vielen beliebigen Beispielen belegt werden: Was kommt Ihnen bei einem „Restaurant“ mit einem roten M auf gelben Hintergrund in den Sinn? Und was bei einem x-beliebigen Würstelstand? Und was passiert in Ihrem Kopf wenn Sie an eine Casio Quarzuhr und eine Rolex denken, außer, dass sie eine Casio Uhr die Zeit üblicherweise genauer anzeigt? Bei Channel No 5 oder bei 4711?

Es ist leicht verständlich, worauf dieses kleine Spiel hinaus will und auch, dass ein Ferrari in Ihrem Kopf etwas ganz anderes auslöst, als ein Daewoo oder, um den faktischen Unterschied in einem Beispiel mal geringer zu halten, ein VW Phaeton etwas anderes als ein Porsche Panamera. Entscheidend ist: Die Kaufhandlungen eines Menschen folgen seiner Markenpräferenz. Und diese wiederum hängt von dem ab was, was die Marke in ihm auslöst.

Ob die die Schönheit nun tatsächlich im Auge des Betrachters liegt, sei dahin gestellt. Sicher ist, die von uns wahrgenommene Schönheit einer Sache beruht sehr oft der Fähigkeit eines anderen Menschen eine Marke zu erschaffen und erfolgreich zu führen. Diese Mensch ist es, der ist unser eigenen Kopf aus einem hässlichen Entchen einen wunderschönen Pfau macht.

Marke findet nur im Kopf statt

Das heißt für jeden Marken-, Marketing- und Kommunikationsprofis: Es ist deren Aufgabe, in den Köpfen der Menschen etwas entstehen lassen, dass diese mögen und vor allem wieder mögen. Denn nur so bekommt man Markenbotschafter und treue Kunden über viele Jahre hinweg.

Leider wir heutzutage zu oft an und mit Markenbildern gearbeitet, die keinerlei Markenguthaben aufbauen, weil sie alle oder viele Markenversprechen in der Realität nicht halten (können). Diese Marken verschwinden dann ebenso schnell wieder vom Markt, wie sie aufgetaucht sind.

Das wiederum ist eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen und eine reine Geldvernichtung. Übertroffen nur noch von schlechter Qualität, schlechter Werbung oder schlechter Kommunikation.

Die zwei Schlüsselspieler - Reputation und Bekanntheit

Wenn wir über Marke sprechen, dann spielt es im ersten Schritt auch keine Rolle, ob wir über ein Unternehmen, ein Produkt oder einen Menschen sprechen. Die Mechanismen sind sehr, sehr ähnlich und die entscheidenden Faktoren für die Verhaltensveränderung einer jedweden Zielgruppen sind: Reputation und Bekanntheit.

Reputation – definiert als Summe der einzelnen Images der relevanten Zielgruppen – von Personen, Unternehmen oder Produkten wird bestimmt durch

  • was man liefert

  • wer man ist

  • wie man liefert und

  • wie man sich verhält (was unter CSR läuft) und kommuniziert.

Diese vier Punkte gelten weitgehend für jeden Markenaufbau – egal ob Marke Mensch, Unternehmensmarke oder Produktmarke.

Evolution statt Mutation

Marken bleiben auch und aber nur dann erfolgreich, wenn sie sich weiterentwickeln (können). Im Idealfall durch Evolution, das heißt, die Marke steht dadurch in permanenter Resonanz mit ihrer Umwelt. Im Negativfall verliert eine Marke den Kontakt zu ihrer Umwelt, wird zum Dinosaurier und stirbt. Es sei denn, eine solche Marke mutiert noch rechtzeitig. Das heißt die Marke findet durch einen sehr großen Veränderungsschritt wieder Anschluss an ihre Umwelt. Das ist bei Marken der Fall, die nach vielen Jahren des Siechtums wiederbelebt werden. Solche Wiedergeburten sind medial zwar spektakuläre und von den Medien gerne gesehen, aber die evolutionären Entwicklung einer Marke ist eine mutativen Veränderung bei weitem vorzuziehen.

Marken gleichen überhaupt in vielen Belangen den genetischen Gesetzen in der Natur. Marken dürften eine Art Code haben, der von sich erfolgreich weiterentwickelnden Marken nie verletzt wird. Ein Code, den der britische Evolutionsbiologe Richards Dawkins in seinem Buch „The Selfish Gene“ erstmals beschreibt und den er in Analogie zum Gen das Mem nennt. Das Wort Mem leitet Dawkins von der griechischen Muse der Erinnerung, Mnemosyne, ab.  Meme sind, so meint er, „Ideen, Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermoden, die Kunst, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen“.

Meme vermehren sich im sogenannten Mempool, „indem sie von Gehirn zu Gehirn springen durch einen Prozess, den man im weitesten Sinne als Imitation bezeichnen kann“ und unterliegen ebenso wie Gene einer Mutation und Selektion.

Meme sind also eine Form von geistigen Genen, von Ideen, Gedanke oder Vorstellungen, und 20 Jahre an Markenerfahrung haben den Autor dieser Zeilen zur festen Überzeugung gebracht, dass Dawkins - ohne darauf explizit einzugehen -, die Marke damit nicht nur sehr gut beschrieben hat, sondern uns auch ein Modell liefert, wie wir Marken besser verstehen können und erfolgreicher mit ihnen umgehen.

Dabei kann man die evolutionäre, also die idealsten Form der Weiterentwicklung einer Marke so beschreiben: In einer sich ständig erneuernden Marke sollte immer auch Teil der untergehenden Marke wiederzuerkennen sein. Zum besseren Verständnis eine Analogie aus der Natur: Jedes Blatt an einem Baum ist anders und einmalig und doch kann man anhand jedes einzelnen Blattes den Baum bestimmen. Genauso sollte eine erfolgreiche Marke weiterentwickelt werden. Genau so sind Marken wie Porsche, das iPhone oder Persil groß geworden. Viel mehr noch: Alle großen Marken sind so groß geworden.

Verletzte nie den memetischen Code

Und es ist die Aufgabe guter und erfahrener Markenmanager, junge Kollegen davon abzubringen, eine Marke zu ruinieren, indem sie zu radikale Veränderungen herbeiführen und damit den memetischen Code einer Marke verletzen.
Alle großen und genialen Schöpfer von Marken kannten und kennen das Geheimnis, dem heute viele - unter anderem das neuronalem Marketing - versuchen auf die Spur zu kommen. Sie sind auf der Suche nach der unglaublichen Kraft der Marke, die Menschen, Unternehmen und Produkte zu Helden macht. Zu Freunden, die unser Leben sowohl als Unternehmen, als auch als Kunde leichter, besser und schöner machen.

Ihr Ernst Primosch

Über den Autor: 

© 2020 Mag. Ernst Primosch, ist CEO des Bureau of Communication, einer Kommunikations- und Markenschmiede in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er begann seine Karriere in der Markenartikelindustrie, war in führenden globalen Managementfunktionen bei einem Fortune Global 500 tätig, führte zwei der renommiertesten Beratungsunternehmen und positionierte Marken wie Henkel. Er lehrt an Universitäten und Hochschulen. Zuletzt publizierte er das Buch „Psychologie der Marke“.

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Was hat ein Schuster mit der Dachmarke am Hut?

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Ernst Primosch im Interview: "Die Branche muss neue Wege gehen"